„Haben Sie schon die Neue?“

AugustinSelbstbewusst, inhaltlich bunt, sozial engagiert und doch sehr unterschiedlich: Fünf Straßenzeitungen in fünf österreichischen Städten versuchen Obdachlosen, Wohnungslosen, Süchtigen, Arbeitslosen und/oder Flüchtlingen Arbeit und Stimme zu geben. Ein Überblick.

Augustin: Zwei Mal im Monat mit jeweils einer Auflage von 30.000 Stück erscheint der „Augustin“ in Wien. Die mit Abstand größte Straßenzeitung Österreichs wird von rund 300 Verkäuferinnen und Verkäufern seit über zehn Jahren unter die Leute gebracht. Jede Woche werden zehn bis 15 „Neue“ auf den Verkauf eingeschult. „Die Fluktuation ist sehr groß“, beschreibt Robert Sommer das Kommen und Gehen beim „Augustin“, „aber die wenigsten bleiben länger“. Die Auflagenstärke der Zeitung garantiert auch deren Unabhängigkeit: „Wir nehmen keine Subventionen. Wir brauchen sie nicht und wollen sie nicht“, so Sommer. Zu 90 Prozent finanziert sich der „Augustin“ über den Verkauf der Zeitung, der Rest wird über private Spenden und Inserate hereingebracht. Neben der Straßenzeitung sind auch zahlreiche andere Initiativen entstanden. Zuletzt wurde eine Theatergruppe ins Leben gerufen und jeden 13. eines Monats wird auf Initiative des „Augustin“ an verschiedenen Orten quasi gegen das sprichwörtliche Unglück gefeiert. Ein alternativer Fasching sozusagen „für Leute, die sonst nichts zu feiern haben“, wie Robert Sommer es nennt.

Megaphon: Die Grazer Straßenzeitung wird zu zehn Prozent von der Caritas gesponsert, 90 Prozent kommen aus Verkauf und Inseraten. Der größte Unterschied zu den anderen Straßenzeitungen in Österreich ist wohl die Herkunft der Verkäuferinnen und Verkäufer. Sie kommen fast ausschließlich aus Schwarzafrika und sind nach Österreich geflüchtet. 45 an der Zahl sind es derzeit, welche die ganzfärbig gestaltete Zeitung verkaufen. Worum es bei diesem Projekt geht, erklärt Harald Schmied ganz einfach: „Wir wollen etwas Gutes tun, wovon andere profitieren können“.

20er: Die Tiroler Straßenzeitung, die auch nach der Euroumstellung ihrem Namen – gleichlautend der Höhe des Verkaufspreises in Schilling – treu geblieben ist, kann zu ihrer Unterstützung auf ein Beschäftigungsprojekt mit sechs Transitarbeitsplätzen zählen, das vom AMS und dem Land Tirol finanziert wird. Etwa 30 Menschen verbreiten den „20er“ (Zwanzger) in Innsbruck und den angrenzenden Bezirken. Und das mit beeindruckendem Erfolg. Alle 11.000 im November produzierten Exemplare waren nach weniger als drei Wochen verkauft. Neben drei angestellten Redakteuren kümmert sich ein wechselndes Autorenkollektiv, also „Leute, die uns von außen zuarbeiten“ (Christoph Peter), um die Erstellung von Beiträgen.

Kupfermuckn: Die Linzer Kupfermuckn wird von der ARGE für Obdachlose herausgegeben und wird monatlich in einer Auflagenhöhe von 14.000 – 20.000 Stück in Linz, Wels, Steyr und (unregelmäßig) in Städten und Gemeinden rund um Linz im Straßenverkauf vertrieben. Pro Monat kommen zirka 70 VerkäuferInnen in der Marienstraße 11 vorbei und bringen die Zeitung unters Volk.

Apropos: Seit Dezember 1997 versucht Apropos aufzuzeigen, was sich in Salzburg abseits der bekannten Klischees in Bezug auf die Mozart-, Tourismus- und Festspielstadt tut. Monatlich werden zumeist 10.000 Exemplare gedruckt und von etwa 35 Menschen verkauft. Texte aus der sogenannten Schreibwerkstatt, Gastbeiträge und redaktionelle Beiträge werden in der Zeitung nicht gesondert ausgewiesen, sondern ganz im Gegenteil bunt gemischt. Vertrieben wird Apropos im Büro in der Glockengasse 10 und im Saftladen (Verein Neustart). Das Büro beherbergt auch eine Bibliothek und einen kleinen Vorrat an Second-Hand-Bekleidung, der je nach Bedarf an die Verkäuferinnen und Verkäufer weitergeben wird. Finanziell gefördert wird das Projekt vom Land Salzburg.

0 Antworten to “„Haben Sie schon die Neue?“”



  1. Kommentar verfassen

Hinterlasse einen Kommentar




März 2007
M D M D F S S
 1234
567891011
12131415161718
19202122232425
262728293031  

Neueste Kommentare